Prävention von sexuell-übertragbaren Krankheiten, sexueller Gesundheitsschutz und Sexualkunde 2.0 für alle!

Einleitung
Sexuell übertragbare Erkrankungen (STI/STD – sexually transmitted infections/diseases) können eine ernste Beeinträchtigung der (sexuellen) Gesundheit des/der Betroffenen darstellen und gravierende Folgen haben:

Eine HIV-Infektion ist nicht heilbar und kann tödliches AIDS auslösen. Syphilis schädigt unbehandelt Organe nachhaltig und kann bei Schwangern zu Kindstod führen. Gegen manche Krankheitserreger wie bei Gonokokken sind kaum noch Medikamente wirksam. Chlamydieninfektionen können infertil machen. Gebärmutterhals-, Penis- und Rachenkrebs können durch humane Papillomaviren (HPV) verursacht werden.

Das sind keine Einzelfälle – mehrere Tausend Menschen infizieren sich jährlich mit STI in Deutschland:

Nach Statistik der Deutschen Aidshilfe e. V. lebten 2018 rund 87 900 Menschen mit HIV, von denen sich zuletzt 2 400 neu infizierten. Die Dunkelziffer ist hoch. Das BMG verweist auf mehrere Hunderttausend Hepatitiskranke und viele Hundert Syphiliserkankungen. HPV zählt aufgrund seiner hohen Prävalenz zu einer der weltweit häufigsten, insbesondere bei jungen Menschen, sexuell übertragenen Erkrankungen.

Eine umfassende sexuelle Aufklärung sollte bereits in der Schule erfolgen und Gesundheitsrisiken stärker behandeln als bisher, sowie mit Angeboten der primären Prävention (bspw. Impfungen, kostenfreien Präservativen etc.) kombiniert werden, damit die STI-Inzidenz schneller konsequent gesenkt werden kann. Deshalb fordern wir im Rahmen der weltbesten Bildung für jede und jeden ein Neudenken im Bezug auf sexuelle Aufklärung und einen erweiterten Schutz vor STD für insbesondere Jugendliche und Heranwachsende und verbesserten Zugang zu Schutzmöglichkeiten für alle.

I. Weltbeste Sexualaufklärung für alle
I.I Sex und Sexualität in Schulen zum Thema machen
Hintergrund
„Sexualerziehung“ ist in den Rahmenlehrplänen für Berlin und Brandenburg Teil der fachübergreifenden Kompetenzentwicklung. Ziel ist die Erziehung zu einem selbst bestimmten und verantwortungsvollen Verhalten, bei dem der Umgang mit dem eigenen Körper und der eigenen Sexualität im Vordergrund steht.

Wir begrüßen, dass Schülerinnen und Schülern (SuS) sich mit ihrer Sexualität, ihrem biologischen Geschlecht und ihrer Identität sowie ihrer sexuellen Orientierung auseinandersetzen. Um jedoch für mehr Sensibilität in diesem Bereich zu sorgen und dem Kompetenzerwerb einer Gesundhaltung des eigenen Körpers gerecht zu werden, muss das Gelernte umfangreich wiederholt und vertieft werden.

Wir fordern,
… dass in der Sekundarstufe I verpflichtend Alternativen zur „klassischen“ Schwangerschaftsverhütung durch eine „Antibaby-Pille“ erklärt werden.
… dass die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs und Beratungsstellen genannt werden.
… dass die Aufklärung von STI im Laufe der Schulzeit einen hohen Stellenwert bekommt und hierfür STD-Krankheitsbilder (Hepatitis, HIV, Tripper, Syphilis, Herpes und Pilzinfektionen etc.) besprochen werden sowie präventive Schutzmöglichkeiten erklärt werden. Das schließt das Üben der Verwendung von Präservativen am Modell ein. Auch Oralschutztücher und Femidome sollen als weitere Verhütungsmittel vorgestellt werden.

Wir unterstützen, dass sich SuS mit ihrer eigenen und anderen sexuellen Orientierungen auseinandersetzen sollen. Das ist für viele ein langer Prozess und sollte daher wiederholend in der Schulzeit thematisiert werden. Das Ausleben von Sexualität ist natürlich und unterstützt eine gesunde Entwicklung, sofern man sich vor STI schützt.

Wir fordern,
… dass auf Hetero-, Homo-, Bi-, Trans-, Inter-, Pan- und Asexualität mehrmalig im Unterricht eingegangen wird, damit Vorurteile weiter abgebaut werden.
… dass im Sinne einer STI-Prävention das Thema Safer Sex bei verschiedenen Geschlechtsverkehrformen (Oroanalkontakt, Vaginal-, Anal- und Oralverkehr) in die Lehrpläne aufgenommen wird.
… dass in der Schule Vorurteile zu Geschlechtsverkehr und Selbstbefriedigung abgebaut werden (wie z.B. der 1000-Schuss-Mythos).
… dass den SuS Beratungsangebote zu LGBTQI*, Schwangerschaft, Sexualität und Safer Sex vorgestellt werden, indem bspw. auf gesellschaftliche Verbände oder Internetseiten der BZgA verwiesen wird.
… dass im Laufe der erweiterten schulischen Ausbildung weiterführende Themen der Sexualität thematisch diskutiert werden. Dazu zählen u.a. Leben mit HIV, Sicherheit bei „Chemsex“ und BDSM.
… dass das Lehrpersonal umfangreiches Informationsmaterial zu den neuen Themen im Rahmenlehrplan erhalten soll. Das BZgA-Material soll durch das Gesundheits- und Bildungsministerien stark erweitert und auf den Schulunterricht zugeschnitten werden.
… organisatorische und finanzielle Unterstützung für den schulischen Sexualunterrichts. Dabei sollen auch gesellschaftliche Vereine, staatliche Initiativen und Mediziner eingebunden werden.

I.II Arztbesuche ermöglichen sichere Doktorspiele
Hintergrund
Bei den Kinder- und Jugenduntersuchungen werden verschiedene Impfungen (Hepatitis B, HPV) angeboten und insbesondere bei Pubertierenden die Bedeutung der Intimhygiene unterstrichen. Verschiedene Ärztinnen und Ärzte (ÄuÄ) bieten Sexualsprechstunden an und können Informationsmaterial der BZgA weitergeben.

Trotz des guten Grundangebots der STI-Prävention durch ÄuÄ erkennen wir Potenzial bei der Verhinderung von STD. So sind die Impfquoten bei Schuleingangsuntersuchungen von Hepatitis B (ca. 87 %) die niedrigsten unter den von der STIKO empfohlenen Impfungen. Die Quote fiel von 2008-2017 weiter, wohingegen durch Kampagnen zur Aufklärung bei Masernimmunisierungen die Zahl der Masernvakzinationen um ähnliche Größenordnungen stiegen.

Besondere Risikogruppen (Frauen, Immunschwache) sollten für eine Immunisierung
gegen das HPV sensibilisiert werden, das mit einer Durchimpfquote von ca. 31 % der 15-Jährigen Mädchen besonders niedrig ausfällt. Auch Jungen sollen verstärkt über den Nutzen der Impfung aufgeklärt werden und gemäß der STIKO-Empfehlungen eine Immunisierung erhalten.

Wir fordern
… eine Informationskampagne, die auf die Vorteile der Hepatitis B- und HPV- Impfung hinweist.
… dass umfangreiches Informationsmaterial kostenlos an Kinderärzte und -ärztinnen, Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner, Frauenärztinnen und -ärzte, sowie Urologinnen und Urologen durch das Gesundheitsministerium zur Verfügung gestellt wird. Dieses soll Jugendlichen und Heranwachsenden bei ihrem Arztbesuch mitgegeben werden.

II Safer Sex darf keine Geldfrage sein!
Hintergrund
Es gibt 2020 in Deutschland im Gegensatz zu Frankreich keine kostenlosen Präservative zur Verhinderung einer Ansteckung mit STI, obwohl ihr Nutzen vielfach erwiesen ist und sich auch auf die Empfängnisverhütung erstreckt.

Wie in Frankreich sollten daher in Deutschland Verhütungsmittel für den Eigengebrauch kostenlos zur Verfügung stehen, weil deren erwiesene Schutzwirkung zur Gesundhaltung der Gesellschaft beiträgt und so einer Verbreitung von Infektionskrankheiten Einhalt geboten werden kann.

Wir fordern
… dass Präservative, Femidome und Oralschutztücher auch in verschieden notwendigen Varianten (z. B. latexfrei, verstärkte Wanddicke) aufgrund ärztlicher Verschreibung zuzahlungsbefreit in einer Apotheke auf Kosten der GKV erhältlich sein.