Liberale Antworten auf die Silvesternacht 2022 – Sicherheitspolitische Neuausrichtung des Waffenrechtes

Die Silvesternacht 2022 hat viele Debatten hierzulande entfacht. Unabhängig von der Einordung der teilweise rhetorisch und politisch entgleisten Migrations- und Integrationsdebatte, ist völlig klar, dass jeder unprovozierte Angriff auf Einsatzkräfte ein Verbrechen und in diesem beispiellosen Umfang ein absoluter Tiefpunkt für die Sicherheitspolitik des Landes Berlin ist. Nun suchen sozialdemokratische Verantwortungsträger, die selbst jahrzehntelang die gesellschaftliche Akzeptanz der Polizei in der Hauptstadt untergraben haben, einen politischen Sündenbock und fordern eine Verschärfung des Waffenrechts. Für uns Liberale ist allerdings klar: feige Ausflüchte in Law und Order Rhetorik sind keine Lösung. Wir fordern daher eine vernunftbasierte Waffenrechtsreform, die sicherheitspolitische Interessen der rechtsschaffenden Bürger stärkt und Gefährdungen effektiver bekämpft.

 

Der Staat hält das Gewaltmonopol. Der liberale Rechtsstaat kann jedoch keinen Anspruch auf das Sicherheitsmonopol erheben. Die Polizei kann nicht jeden Kriminellen entwaffnen und nicht überall und zu jeder Zeit mit Personal vor Ort sein. Absolute Sicherheit kann es in Freiheit nicht geben. Im Rahmen unserer rechtstaatlichen Vorrausetzungen ist es Privatleuten und Sicherheitsdienstleistern daher erlaubt und erwünscht, einen positiven Beitrag für die öffentliche Sicherheit zu leisten, ohne dabei das Gewaltmonopol des Staates zu verletzen. Und das ist auch notwendig, denn wenn jemand in eine Notsituation gerät und nicht zufällig die Polizei danebensteht, so ist ein jedes Opfer einer Straftat zunächst selbst der „First Responder“. In solchen Situationen gibt es oftmals nicht die Möglichkeit die Einsatzkräfte zu verständigen oder anderweitig um Hilfe zu rufen, geschweige denn die 5, 15 oder sogar über 20 Minuten auf die Polizei zu warten. Diese staatliche Sicherheitslücke kann durch zivilgesellschaftliches Engagement gefüllt werden, zum Beispiel durch das Recht auf Jedermann-Festnahme oder Notwehr sowie Nothilfe. Wir möchten rechtschaffende Bürger in diesen Grundrechten bestärken.

 

Illegalen Waffenbesitz und -handel bekämpfen

 

Fast alle Straftaten, die mit Waffen begangen werden, werden mit illegalen Waffen begangen. Das große Problem ist der unkontrollierte Bereich der organisierten Kriminalität. Um dem Problem des illegalen Waffenbesitzes und -handels effektiv zu begegnen, muss der Rechtsstaat gestärkt werden. Polizeibeamten muss es möglich sein an Kriminalitätsschwerpunkten mittels Personenkontrollen illegalen Waffenbesitz aufzuspüren. Stadtviertel in denen bekanntermaßen Schutzgelderpressung sowie Waffenhandel durch organisierte Kriminalität ein Problem sind, soll die Polizei die Frequenz der Razzien erhöhen. Hierfür braucht es mehr Personal in der Justiz, um die überlasteten Gerichte zu entlasten. Diese Maßnahme schafft auch Räume, damit kriminelle Waffenhändler schneller angeklagt und abgeurteilt werden können. Delikte im Bereich des illegalen Waffenbesitzes sollen von den Ermittlungsbehörden prioritär behandelt werden.

 

Regeln für den Waffenbesitz

 

Waffen frei und ohne jegliche Restriktionen in der Bevölkerung zu verteilen, würde ein Sicherheitsrisiko darstellen. Deswegen muss der private Waffenbesitz in einem regulierten Rahmen geschehen. Allerdings müssen diese Regularien verhältnismäßig sein. Dennoch wurde das Waffenrecht in den letzten 20 Jahren, obwohl die Kriminalität mit legalen Feuerwaffen im selben Zeitraum abgenommen hat (fünf Straftaten im Jahre 2016), immer wieder verschärft.

 

Die Jungen Liberalen setzen deswegen auf ein ganzheitliches Konzept den privaten Waffenbesitz angemessen zu regulieren, ohne zu stark in die Rechte des Einzelnen einzugreifen. Für den Erwerb einer Waffenbesitzkarte (WBK) sollen weiterhin folgende grundsätzliche Restriktionen gelten:

 

Der Antragsteller muss…

  • Deutscher Staatsbürger sein.
  • Das 18. Lebensjahr vollendet haben.
  • Frei von schweren Vorstrafen sein. Dazu zählen insbesondere Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit.
  • Seine theoretische und praktische Sachkunde nachweisen können.
  • Sofern der Antragssteller noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, zudem ein psychologisches Gutachten vorlegen.

 

Menschen mit schwerwiegenden sicherheitsrelevanten psychischen Erkrankungen sind von dem Erwerbsverfahren einer WBK grundsätzlich ausgeschlossen. Das bürokratische Verfahren der sog. Bedürfnisprüfung entfällt zukünftig. Die WBK muss alle fünf Jahre erneuert werden.

 

Nein zu Symbolpolitik Frau Faeser! Faktenbasierte Regulierung von Waffen- und Waffenzubehör

 

Waffensorten, Munitionstypen und Zubehör sind im Rahmen der deutschen Waffengesetzgebung umfangreich reguliert. Über die Jahrzehnte hat sich ein umfangreicher Katalog an Verboten und Regulierungen angesammelt, die häufig auf die Willkür von Innenministern zurückzuführen ist. Wir setzen uns für eine datengestützte Regulierung von Waffensorten, Munitionstypen und Zubehör ein, die individuellen Grundrechten eine besondere Gewichtung beimisst. Daher sollen alle Regelungen des WaffG auf den Prüfstand.

 

Wir fordern die Einsetzung einer Expertenkommission, die unter Berücksichtigung der relevanten Stakeholder (insb. Polizei, Schützen- und Jagdverbände,Bürgerrechtler, Rüstungshersteller und -verbände) eine datengestützte Evaluation der bestehenden Regulierungen durchführt und diese mit Empfehlungen an den Gesetzgeber verbindet, die zeitnahe umgesetzt werden sollen. Die Schlussfolgerungen aus der Evaluation der Daten müssen dem Grundrecht auf Eigentum besondere Rechnung tragen und vorgeschlagene Regularien grundsätzlich verhältnismäßig sein.

 

Schalldämpfer sollen bundesweit erlaubt sein. Das Verbot von Tasern und Pfefferspray in Privatbesitz soll ebenfalls abgeschafft werden. Ebenso lehnen die Jungen Liberalen die geplante Verschärfung des Waffenrechtes, durch die Waffenrichtline der Europäischen Union ab. Symbolpolitische Forderungen nach einem Verbot von Schreckschuss-/und Signalwaffen sowie eine Registrierungspflicht für dekorative Waffen lehnen die Jungen Liberalen entschieden ab. Darüber hinaus lehnen wir Waffenverbotszonen im öffentlichen Raum ab.

Vollzug stärken – Extremisten konsequent entwaffnen

 

Laut Waffengesetz dürfen Menschen, die die freiheitlich demokratische Grundordnung ablehnen und durch den Verfassungsschutz gesichert als politische Extremisten oder Gefährder eingestuft wurden, keine Waffenbesitzkarte oder Waffenschein erhalten sowie bereits erworbene Waffen abgeben. Das ist richtig und wichtig. Zukünftig sollen auch Mitglieder von verfassungsfeindlichen Parteien oder Organisationen vom Besitz einer WBK ausgeschlossen sein.

 

Wie durch die Auseinandersetzung mit der sog. Reichsbürger-Szene mittlerweile medienwirksam bekannt wurde, hinkt der Vollzug von Beschlagnahmungen von widerrechtlich besessenen Waffen stark hinterher. Hier müssen Polizei und Justiz gestärkt werden. Daher fordern die Jungen Liberalen, dass die Beschlagnahmung von illegal besessenen Waffen im Rahmen der rechtstaatlichen Ordnung beschleunigt wird. Angehäufter Vollzugsstau soll durch die Landespolizei priorisiert abgearbeitet werden. Gegen Extremisten, die gesichert vom Verfassungsschutz als solche eingestuft wurden, sollte ein Verfahren zur Beschlagnahmung der Waffen auch schon Ablauf der Gültigkeit der WBK eingeleitet werden können.

 

Gesetze zur Lagerung anpassen – individuelle Sicherheitsbedürfnisse berücksichtigen

 

Die Lagerung von Waffen in Privaträumen muss im Interesse der öffentlichen Sicherheit verantwortungsbewusst durch die Waffenbesitzer gehandhabt werden. Die meisten privaten Waffenbesitzer sind rechtschaffende Bürger, ihre Waffen verantwortungsvoll und sicher lagern. Dabei gilt es zu beachten, dass die Sicherheitsbedürfnisse sich von Haushalt zu Haushalt unterscheiden, z. B. abhängig davon, ob es sich um einen Single-Haushalt oder eine Familie mit Kindern handelt. Die Jungen Liberalen fordern daher eine Reform der Lagerungsvorschriften des Waffengesetzes. Die Auflagen der Lagerung, nach welcher Waffen beispielsweise in Waffenschränken vom Grad 0 oder 1 gelagert werden müssen, sollen durch eine allgemeine Fahrlässigkeitsklausel, nach Vorbild des §36 Abs. 1 WaffG, ersetzt werden. Waffen müssen weiterhin außerhalb der Reichweite von Kindern oder unbefugten Dritten gelagert werden. Weiterhin soll das gemeinsame Lagern von Waffen und Munition künftig erlaubt sein. Darüber hinaus fordern die Jungen Liberalen, dass der Besitz von Munition, die nicht dem Kaliber der auf der Waffenbesitzkarte eingetragenen Kaliber entspricht, nicht länger als Straftatbestand – äquivalent zum illegalen Waffenbesitz – behandelt wird, sondern als Ordnungswidrigkeit geahndet werden soll.

Opfer stärken und nicht Täter schützen – Notwehrrecht nicht relativieren

 

Das Notwehrrecht ist ein notwendiger Bestandteil eines freiheitlichen Rechtsstaats. Dort wo der Staat nicht eingreifen kann, muss der Einzelne seine Rechtsgüter effektiv verteidigen dürfen. Dies gilt umso mehr, als dass absolute, staatlich vermittelte Sicherheit in einem liberalen Rechtsstaat nicht möglich ist. Daher setzen die Jungen Liberalen sich dafür ein, das Notwehrrecht rechtssicher auszugestalten. Der Angegriffene soll zur Verteidigung seiner körperlichen Unversehrtheit jedes Mittel einsetzen dürfen. Notwehr dient nicht nur der Verteidigung individueller Rechte, sondern auch dem Schutz der Rechtsordnung als ganzer. Wir lehnen jede Relativierung des Notwehrrechts ab.

 

Waffenscheinausgabe reformieren

 

Die Jungen Liberalen fordern eine ganzheitliche Reform des WaffG hinsichtlich der Ausgabe von Waffenscheinen. Gerade an Kriminalitätsschwerpunkten, wo die öffentliche Sicherheitsinfrastruktur unzureichend greift, müssen rechtschaffende Bürger die Möglichkeit bekommen, ihr Recht auf Notwehr auch im öffentlichen Raum auszuüben. Denn dieses Recht ist nicht auf einige wenige Personen des öffentlichen Lebens beschränkt, sondern steht grundsätzlich jedem Bürger zu. Daher fordern die Jungen Liberalen, dass jeder Besitzer einer WBK die Möglichkeit bekommt, unter erhöhten Sicherheitsauflagen (z.B. die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnis, eine erweiterte Hintergrundüberprüfung) einen Waffenschein zu beantragen. Der Waffenschein soll zunächst auf eine Probezeit von 12 Monaten befristet sein und danach an die Länge der WBK-Genehmigung gekoppelt sein.

Dabei gilt weiterhin, dass Waffenscheine nur das verdeckte Mitführen einer Waffe erlauben. Das offene Tragen von Feuerwaffen im öffentlichen Raum, wie es in manchen US-Bundesstaaten gehandhabt wird, lehnen wir ab. Um die Wirkung auf die öffentliche Sicherheit in fortwährend zu evaluieren, fordern wir zunächst die Einführung von Modellregionen, wo das verdeckte Tragen von Waffen getestet wird. Das Land Berlin soll hier vorangehen. Die Berliner Senatsverwaltung des Inneren ist dazu aufgefordert entsprechende Rechtsgrundlagen zu schaffen.